Interview mit …

…Dr. Hans-Jürgen Brick, Vorsitzender der Geschäftsführung, Amprion GmbH

 

 

Dr. Annette Nietfeld: Herr Dr. Brick, Sie werden anlässlich der Konferenz ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2023 das Eröffnungsplenum moderieren. Welche namhaften Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und Politik haben bereits zugesagt?

 

Dr. Hans-Jürgen Brick: Zugesagt haben unter anderem mein Vorstandskollege im Vorstand des Forum für Zukunftsenergien, Dr. Harald Schwager, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der EVONIK AG, die Parlamentarischen Staatssekretäre Stefan Wenzel aus dem BMWK und Michael Theurer aus dem BMDV, sowie Prof. Dr. Jürgen Kühling, Universität Regensburg und Vorsitzender der Monopolkommission.

 

Dr. Annette Nietfeld: Welche Themen werden im Eröffnungsplenum behandelt werden?

Dr. Hans-Jürgen Brick: Im Eröffnungsplenum werden die Themen angesprochen, die dann im weiteren Verlauf der Konferenz vertieft werden. So sollen die „Folgen des Kriegs für die europäische Wettbewerbsordnung“ genauso angesprochen werden wie die „Mobilität der Zukunft“ oder die Frage, was die kriegsbedingte Zeitenwende für die europäische und nationale Energie- und Klimaschutzpolitik bedeutet.

Dr. Annette Nietfeld: Auf welche thematischen Schwerpunkte dürfen sich die Teilnehmer noch freuen?  

 

Dr. Hans-Jürgen Brick: Wir haben entsprechend unseres Anspruches, allen von der Energiewende betroffenen Branchen ein Gesprächsangebot zu unterbreiten, zwei Sessions zur Stadtentwicklung und Wohnungswirtschaft und zwei Themenschwerpunkte zur Verkehrsfragen vorgesehen. Außerdem werden die Gas- und Rohstoffthemen adressiert, auch mit Blick auf die Belange der energieintensiven Industrien.

Dr. Annette Nietfeld: Wie beurteilen Sie mit Blick auf den Winter die Situation bezüglich der Versorgungssicherheit? Welche Erfahrungen haben die ÜNBs bis jetzt gemacht und worauf müssen wir uns für den Rest des Winters einstellen?

Dr. Hans-Jürgen Brick: Die Lage im Stromnetz ist in diesem Winter angespannt, aber bislang beherrschbar. Die Lichter brennen und die Erdgasspeicher sind gut gefüllt. Die vergleichsweise milden Temperaturen und die Umsetzung der Empfehlungen aus dem Netzstresstest tragen erheblich dazu bei, dass die Situation beherrschbar bleibt. Aber der Winter ist noch nicht vorbei.

Die Situation bleibt aus unserer Sicht herausfordernd, bei uns wie auch bei unseren europäischen Nachbarn. Deswegen müssen alle Anstrengungen aufrechterhalten bleiben. Wir dürfen nicht nachlassen!

 

Dr. Annette Nietfeld: Die Regierung will ein neues Strommarktdesign entwickeln; so steht es im Koalitionsvertrag. Ein neues Strommarktdesign haben Sie bereits im Rahmen von „ENERGIE.CROSS.MEDIAL“ 2021 und 2022 gefordert. Bislang hat sich diesbezüglich nicht viel getan und Anfang d.J. hat die BNetzA verlauten lassen, dass sich auch ohne Änderungen des regulatorischen Rahmens Versorgungssicherheit und Klimaschutzziele erreichen lassen. Sie bezieht sich auf ihren Versorgungssicherheitsbericht für 2025 bis 2031. Stimmen Sie dem zu?

 

Dr. Hans-Jürgen Brick: Im Entwurf des Versorgungssicherheitsberichts der Bundesnetzagentur wird zunächst einmal festgestellt, dass wir bis zum Jahr 2031 neue Gaskraftwerke im Umfang von 17 bis 21 Gigawatt benötigen. Es wird ebenfalls festgestellt, dass für die dafür notwendigen Investitionen ein stabiler Rahmen benötigt wird. Dem kann ich nur zustimmen. Ich sehe allerdings nicht, wie ein solcher Rahmen ohne gezielte Kapazitätszahlungen, wie wir sie fordern, für die notwendigen Investitionen sorgen soll. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kraftwerke H2-ready sein sollten. Derzeit sehen wir im Markt wenige Bestrebungen in Richtung finaler Investitionsentscheidungen.

Unser Vorschlag im Rahmen unseres Systemmarktkonzeptes ist ein Steuerungsinstrument, das verlässliche Anreize für den Neubau von gesicherter Leistung setzt. Durch lokal differenzierte Kapazitätszahlungen wird gewährleistet, dass Kraftwerke, Speicher und Elektrolyseure zukünftig an den systemdienlichen Stellen im Netz errichtet und betrieben werden. Aus unserer Sicht muss die Entscheidung für ein solches Instrument noch in 2023 gefällt werden. In 2024 muss es gesetzlich verankert werden, so dass ab 2025 der Bau von neuen Kraftwerken starten kann. Die Einführung eines Systemmarkts noch in dieser Legislaturperiode ist die Voraussetzung für Versorgungsicherheit in der Transformationsphase und das Erreichen der Klimaziele in 2030, denn wenn keine modernen Gaskraftwerke gebaut werden, die wir zukünftig mit grünem Wasserstoff betreiben können, müssen die Kohlekraftwerke länger am Netz bleiben.

Dr. Annette Nietfeld: Welchen Anforderungen sollte ein solches Strommarktdesign genügen?

 

Dr. Hans-Jürgen Brick: Es muss zuallererst dem energiewirtschaftlichen Zieldreieck genügen. Der Strommarkt muss ein hohes Maß an Versorgungssicherheit gewährleisten. Ebenso muss er nachhaltig sein und letztlich auch bezahlbar. Wir als Übertragungsnetzbetreiber sehen einen ganz klaren Bedarf an verlässlichen Rahmenbedingungen, so dass wir nach dem Ausstieg aus Kernkraft, Kohle und fossilem Erdgas weiterhin ausreichend gesicherte Leistung vorhalten, das ist für mich aus heutiger Sicht der drängendste Punkt. Es schließen sich eine ganze Reihe weiterer Anforderungen an. Etwa, dass die einzelnen Systeme im Rahmen der Sektorenkopplung gemeinsam effizient funktionieren. Eine systemorientierte Gesamtbetrachtung muss immer anstelle einer Einzelbetrachtung hergestellt werden.

Dr. Annette Nietfeld: Sehen Sie größeren Abstimmungsbedarf mit unseren europäischen Nachbarn?

 

Dr. Hans-Jürgen Brick: Das Strommarktdesign muss an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sein. Die Mitgliedstaaten unterscheiden sich zum Teil gravierend bei der Erzeugung, der Übertragung sowie beim Verbrauch von Strom. Wichtig ist, dass die Strommärkte im ENTSO-E-Verbund den gleichen Prinzipien folgen und ein länderübergreifender Stromhandel möglich ist. Interkonnektoren wie ALEGrO, die erste Gleichstromverbindung zwischen Belgien und Deutschland, helfen beim Aufbau eines integrierten europäischen Stromnetzes. Denn die Energiewende wird am effizientesten gelingen, wenn wir uns im europäischen Verbund gegenseitig aushelfen können. Solarstrom sollte vom Süden in den Norden fließen können und Windenergie vom Norden in den Süden, um zwei plakative Beispiele zu nennen. Gemeinsam werden wir die Klimaziele leichter erreichen und dabei das hohe Niveau der Versorgungssicherheit erhalten.

Dr. Annette Nietfeld: Vielen herzlichen Dank, Herr Dr. Brick. Ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammen unsere Konferenz ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2023 durchzuführen, zumal die Netzthemen dort gleich an zwei Stellen prominent behandelt werden. Zum einen im Plenum. Dort wird es eine Podiumsdiskussion geben zum Thema „Wie muss sich das Strommarktdesign weiterentwickeln, damit das Zusammenspiel zwischen Erzeugung und Verbrauch gelingt?“ Und dann noch in der Session 4 zum Thema: „Die Netzbetreiber und ihre Systemverantwortlichkeit – ein Blick zurück und nach vorn.“

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