Interview mit Dr. Julius Scholz (NOW GmbH)
28. Februar 2020
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Dr. Annette Nietfeld im Gespräch mit Dr.
Julius Scholz (Programm Manager Internationale Kooperation, NOW GmbH)
Dr. Annette Nietfeld: Was
erwarten Sie sich bzw. NOW von dem neuen Veranstaltungsformat „ENERGIE.CROSS.MEDIAL
2020“?
Dr. Julius Scholz: Bei „ENERGIE.CROSS.MEDIAL“
handelt es sich um eine der wenigen Veranstaltungen, die die Herausforderung
Sektorenkopplung in einer Veranstaltung abzubilden annimmt. Das hat den großen
Vorteil, dass nicht nur Leute aus der Verkehrs- oder der Energiewelt teilnehmen,
sondern mit den weiteren Themen Industrie und Quartiere ein wesentlich
breiteres Fachpublikum teilnehmen wird. Deshalb erhoffe ich mir von der
Veranstaltung auch eine spannende Diskussion mit vielen verschiedenen
Perspektiven.
Dr. Annette Nietfeld: Die NOW GmbH Nationale
Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie koordiniert und
steuert das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und
Brennstoffzellentechnologie (NIP) der Bundesregierung und die Förderrichtlinien
Elektromobilität sowie Ladeinfrastruktur (LIS) des Bundesministeriums für
Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Im Auftrag des BMVI unterstützt die
NOW außerdem bei der Weiterentwicklung der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie.
Welche Aufgaben nehmen Sie als Manager internationale Kooperationen wahr?
Dr. Julius Scholz: Tatsächlich
liegen die Schwerpunkte meiner Arbeit innerhalb der Exportinitiative
Umwelttechnologie für das Bundesumweltministerium. Hier gilt es die Potentiale
für den Einsatz von Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in Schwellen-
und Entwicklungsländern zu erfassen und zu nutzen. Unter diesen Anwendungen
sticht vor allem die Anwendung im Bereich dezentraler und netzferner
Stromversorgung. Dies ist allerdings nur einer der Bereiche, in denen wir in
der internationalen Kooperation aktiv sind. Denn wenn wir uns den Einsatz der
Technologie und unterstützende Maßnahmen zu einem Markthochlauf anschauen,
bewegen wir uns sehr schnell in Bereichen, in denen wir die nationale Ebene
verlassen. Das lässt sich vielleicht an zwei Beispielen verdeutlichen. So tauschen
wir uns international für den Aufbau einer Tankstelleninfrastruktur aus. Denn
in diesen frühen Phasen ist es äußerst hilfreich sich nicht nur auf gleiche
Standards und Regulierung zu verständigen – damit man mit seinem Auto überall
tanken kann – sondern es kann einen entscheidenden Vorteil bringen sich zu den
Erfahrungen auszutauschen um schnell Verbesserungen zu erzielen. Der zweite
Bereich ist die Vernetzung von Projekten und Infrastrukturen. Schaut man sich
beispielsweise das Gasnetz als bestehende Infrastruktur an, wird schnell
deutlich, dass die Auswirkungen einer Umstellung oder auch nur einer
Beimischung von Wasserstoff hier nicht national begrenzt wären. Mit zunehmenden
globalen Aktivitäten sind dies Beispiele, die verdeutlichen, dass der Austausch
helfen kann auf bestehendes Wissen aufzubauen und gemeinsam noch bestehenden
Wissenslücken zu identifizieren um sie mit Forschungsvorhaben zu schließen. So
sind wir an vielen Stellen die Schnittstelle zwischen den nationalen
Entwicklungen und internationaler Projekt- und Gremienarbeit.
Dr. Annette Nietfeld: Sehen Sie bezüglich grüner
Technologien einen großen Wettbewerbsdruck für deutsche Unternehmen?
Dr. Julius Scholz: Innerhalb
der letzten zwei Jahre hat sich eine große Dynamik im Zusammenhang von Wasserstoff
entfaltet. Einerseits befinden wir uns gerade auf dem deutschen Markt im
Übergang von ersten Demonstrationsvorhaben hin zu großen Projekten, die an
vielen Stellen der Wertschöpfungskette von Wasserstoff die nächsten Schritte
vorbereiten. Dies gilt sowohl für einzelne Anwendungen wie dem Einsatz in der
Industrie und der Stahlerzeugung oder mit den Reallaboren und dem
HyLand-Programm, das weltweite Vorreiter für integrierte Demonstrationsvorhaben
über Sektorengrenzen hinweg vorbereitet. Gleichzeitig nimmt der Wettbewerb in
Anwendungen mit großen Stückzahlen wie PKW und LKW der internationale
Wettbewerb gerade stark zu. Dies spiegelt sich in der Anzahl von Modellen aber
auch absoluten Stückzahlen insbesondere von außereuropäischen Herstellern.
Darüber hinaus werden aber auch Themen wie die großskalige Erzeugung von grünem
Wasserstoff bereits von Regierungs- wie Industrievertretern an allen Standorten
mit hervorragenden Potentialen wie Nordafrika, Australien oder Chile geführt.
Deshalb lässt sich klar sagen, dass der Wettbewerbsdruck gerade stark zunimmt.
Dr. Annette Nietfeld: Die Realisierung der europäischen
Klimaschutzziele wird nur gelingen, wenn es große Fortschritte in der
Technologieentwicklung gibt, so das Ergebnis einer Studie von Deloitte. Teilen
Sie diese Einschätzung und wenn ja, lassen Sie uns doch bitte wissen, in
welchen Bereichen diese am dringlichsten erforderlich sind und wie
wahrscheinlich es ist, dass wir diese Technologiesprünge auch erreichen.
Dr. Julius Scholz: Für
die Realisierung der Klimaschutzziele ist ohne Zweifel ein Technologiesprung
notwendig. Allerdings ließe sich an vielen Stellen durch die bereits heute
existierende Technologie ein großer Schritt auf dem Weg dorthin machen. Die
zentrale Herausforderung liegt hier eher in der notwendigen Innovation eine
Integration und einen Einsatz auf der großtechnischen Skala zu ermöglichen.
Schaut man sich beispielsweise die benötigten Volumina von Wasserstoff an, die
die Umstellung von industriellen Prozessen von Raffinerieprozessen zu Ammoniak-
und Stahlherstellung benötigt werden, wird schnell klar, dass neue Plattformen
für Elektrolyse in entsprechender Größe aber auch Herstellungsprozesse für die
entsprechenden Stückzahlen entwickelt werden müssen. Zusätzlich sind natürlich
für die langfristige Umstellung unseres Energiesystems hin zu einem voll
integrierten System mit der fortwährenden Notwendigkeit für Energieimporte
darüber hinaus noch Entwicklungen beispielsweise für globale Logistikketten von
großtechnischer Wasserstoffverflüssigung zu technischer Adaptation der
Gasinfrastruktur notwendig. Die zentrale Botschaft sollte jedoch sein, die
Technologie ist im Wesentlichen hinreichend weit entwickelt, die notwendige
Innovation liegt nun in der Integration und der Skalierung der Prozesse.