Interview mit Wolfgang Langhoff (Vorsitzender des Vorstands, BP Europa SE)
12. Februar 2021
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Dr. Annette Nietfeld: Wir erleben derzeit ein Überbietungswettbewerb in Sachen Klimaneutralität – jeder will der Erste sein. Ist nicht einfach Verzicht der schnellste und effektivste Weg zur Klimaneutralität?
Wolfgang Langhoff: Dem Eindruck scheinen einige verfallen zu sein. Aber so einfach ist das nicht. Denn dabei wird häufig vergessen, was insbesondere durch die industrielle Revolution in den vergangenen ungefähr 200 Jahren erreicht wurde: Wohlstand und soziale Sicherheit für sehr viele, idealerweise für alle, und das in einem Umfang, von dem unsere Vorfahren bis zum 18. Jahrhundert keine Vorstellung hatten. In einer gestellten Grundsatzfrage Klimaschutz durch Verzicht oder Wachstum darf im Sinne von Wohlstand und Freiheit keine dogmatische, falsche Antwort gegeben werden. Im Wesentlichen geht es darum, die richtigen Entscheidungen für Klimaneutralität zu treffen. Und deswegen muss von vornherein ganz klar sein, dass dies nur eine Innovations- und Wachstumsstrategie sein kann. Ich bin davon überzeugt, dass Wandel und Vorsorge immer auch Wachstum auslösen.
Dr. Annette Nietfeld: Welchen Weg geht bp in den nächsten Jahren?
Wolfgang Langhoff: In diesem Geiste will bp spätestens bis 2050 nicht nur klimaneutral sein, sondern in diesem Jahrzehnt der Weichenstellungen bis 2030 ganz konkrete Meilensteine erreichen. Wir streben eine Verzehnfachung der Investitionen in emissionsarme Aktivitäten bis 2030 beziehungsweise eine bis zur achtfachen Steigerung bis 2025 an. Gleichzeitig werden wir auch unser Öl- und Gasportfolio auf Wertigkeit ausrichten. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Förderung bis zum Ende des Jahrzehnts um etwa 40 Prozent niedriger liegen, jedoch von besserer Qualität sein und damit weniger Emissionen produzieren wird. Um es deutlich zu sagen: Das Öl- und Gasgeschäft hat in dieser Übergangsphase eine große Bedeutung, denn mit der Weichenstellung von bp in Richtung Klimaneutralität können wir ein riesiges Wachstumspotential in den Bereichen erneuerbare Energien, Wasserstoff und Elektrifizierung des Verkehrs finanzieren und realisieren.
Dr. Annette Nietfeld: Die EU will die Klimaneutralität im Jahr 2050 erreichen. Dabei ist ein effektives Instrument der Emissionshandel. Welche Möglichkeiten sehen Sie für einen internationalen Emissionshandel?
Wolfgang Langhoff: bp vertritt schon seit mehr als zwei Jahrzehnten die Auffassung, dass Kohlendioxid weltweit einen Preis haben sollte, um die Reduktion von Treibhausgasemissionen nach dem Verursacherprinzip möglichst kosteneffizient unter Nutzung von Marktmechanismen zu erreichen. Der CO2-Emissionshandel in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft gehört aus unserer Sicht zu den richtigen Rahmenbedingungen. Wichtig bei der Ausgestaltung der CO2-Bepreisung ist, dass Benzin, Diesel und Heizöl für alle Bevölkerungsschichten bezahlbar bleiben und zugleich Anreize geschaffen werden, um erneuerbare Kraft- und Brennstoffe in biogener oder synthetischer Form zu fördern. Es gilt diese Parallelität zu berücksichtigen.
Dr. Annette Nietfeld: Technologien wie CCS/CCU und grüner Wasserstoff sollen dabei helfen CO2-Emissionen zu reduzieren. Welche internationalen Trends sehen Sie bei diesen Technologien und welche politischen Maßnahmen sind für einen weltweiten Einsatz notwendig?
Wolfgang Langhoff: Wasserstoff, gerade grüner Wasserstoff spielt für uns eine wichtige Rolle, wenn es um die Zukunftsausrichtung unserer Raffinerien geht. Ziel von bp ist es, den gesamten fossil erzeugten Wasserstoff in unseren deutschen Raffinerien zu ersetzen und so zu einer deutlichen Senkung der CO2-Emissionen in der Kraftstoffproduktion und unserer Betriebsaktivitäten insgesamt beizutragen. Ganz konkret beabsichtigen wir zum Beispiel gemeinsam mit Ørsted bei der Produktion von grünem Wasserstoff im industriellen Maßstab zusammenzuarbeiten. Geplant ist eine 50MW Elektrolyse-Anlage auf dem Gelände der bp Raffinerie in Lingen, die eine Tonne erneuerbaren Wasserstoff pro Stunde erzeugen könnte, der dann in der Raffinerie zur Herstellung von Kraftstoffen genutzt wird. Darüber hinaus engagieren wir uns beim Get H2 Nukleus Projekt, um eine ganzheitliche Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland zusammen mit Partnern auf den Weg zu bringen. Entsprechende Projektanträge unter anderem für den EU-Innovation Fund sind bereits gestellt worden. Auch CCUS ist eine der Technologien, die für die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen in die Atmosphäre von entscheidender Bedeutung sind. Aufgefangenes CO2 könnte direkt oder als Ausgangsmaterial in industriellen oder chemischen Prozessen verwendet werden, um wertvolle kohlenstoffhaltige Produkte herzustellen. Bei all diesem Projekten und Überlegungen setzen wir darauf, dass die staatlichen Rahmenbedingungen zügig an die neue Energiewelt angepasst werden. Gut ist, dass die Bundesregierung das Gesetz zur Umsetzung der RED II verabschiedet hat. Grüner Wasserstoff ist darin verankert und das ist anerkennenswert. Nun muss es auch zügig vom Parlament verabschiedet werden, zusammen mit anderen wichtigen RED II-Inhalten, die in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung momentan nicht befriedigend geregelt sind und daher vom Gesetzgeber zeitnah novelliert werden sollten. Dazu gehört aus unserer Sicht auch die baldige Vorlage der neuen 37. BImSchV. Die darf nicht erst nach Abschluss des RED II Gesetzgebungsverfahrens erarbeitet werden, sondern muss früher kommen.
Dr. Annette Nietfeld: Im BP Energy Outlook nehmen Sie regelmäßig eine globale Perspektive ein und können dadurch internationale Trends beobachten. Energiearmut ist dabei sicherlich eines der größten Probleme mit enormen Konsequenzen für die betroffene Bevölkerung. Was ist zu tun?
Wolfgang Langhoff: Laut der Internationale Energie-Agentur (IEA) haben rund 800 Millionen Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Doch gerade Energie ist die Grundlage für Wohlstand und Entwicklung und hat der Menschheit bessere Lebensqualitäten gebracht. Ich erinnere beispielhaft an die deutlich gestiegene Lebenserwartung von Menschen, die sich seit Beginn der Industrialisierung verfünffacht hat. Das liegt auch an einem modernen Gesundheitsschutz, der sich parallel entwickelte oder in einer als selbstverständlich vorausgesetzten Verfügbarkeit von Wärme und Licht. Diese Erfolgsgeschichte wird aber nicht von allen geteilt. Wohlstandskritiker und einige Klimaschützer setzen fossile Energien mit blindem Wachstum gleich. Wird auf Wachstum verzichtet, brauchen wir auch weniger fossile Energien, so könnte in meinen Augen diese schiefe Gleichung lauten. Und genau das bringt uns zu Ihrer Eingangsfrage zurück. Kann Verzicht die Herausforderungen einer stark wachsenden Weltbevölkerung lösen? Meine Antwort ist ein klares Nein!