Umsetzung der Energiewende: zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Mit Beendigung der zweitägigen Konferenz „ENERGIE.CROSS.MEDIAL“ am 5. & 6. März 2024 in Berlin konnte ein weiteres Kapitel in der Diskussion zur Umsetzung der Energiewende abgeschlossen werden, wenn uns auch die Thematik „Umsetzung der Energiewende: zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ noch lange beschäftigen wird. Während der beiden intensiven Veranstaltungstage, begleitet von der Teilnahme von über 250 Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft sowie von den Umweltverbänden, entfaltete sich ein lebendiger Austausch, geprägt von einem verstärkten Bewusstsein für die Herausforderungen und Diskrepanzen zwischen den ambitionierten Zielen der Energiewende und den realen Gegebenheiten.

Die Intention, eine Plattform für den interdisziplinären Dialog zu bieten, gewann durch die explizite Einbindung der Diskussion bezüglich der notwendigen technischen Innovationen in Kombination mit entsprechenden politischen und sozialen Rahmenbedingungen an Tiefe. Damit markierte die fünfte Ausgabe von „ENERGIE.CROSS.MEDIAL“ nicht nur einen weiteren Meilenstein in der Debatte um die Energiewende, sondern setzte auch neue Impulse für die zukünftige Gestaltung einer realistischen Energiepolitik.

Eingangs wurden mehrere kritische Stimmen aus der Gesellschaft zitiert. Diesen zufolge sei die Energiewende durch das Fehlen essenzieller Komponenten wie leistungsfähige Speichertechnologien und einen umfassenden grünen Wasserstoffkreislauf geprägt. Diese Technologien, die für die Deckung des Energiebedarfs ganzer Städte und Industrieareale über längere Zeiträume hinweg unabdingbar sind, seien nicht vorhanden. Zusätzlich wurde die zunehmende Regulierung und Bürokratisierung durch die Politik kritisiert, welche die Agilität und Veränderungsbereitschaft sowohl der Bürger als auch der Unternehmen potenziell untergrabe.

Insgesamt unterstrich die Veranstaltung die Dringlichkeit, konstruktive Lösungen zu finden, um die Diskrepanz zwischen den ambitionierten Zielen der Energiewende und den praktischen Herausforderungen ihrer Umsetzung zu überbrücken. Trotz der überwiegend kritischen Stimmung lag der Fokus weitestgehend darauf, Wege zu erkunden, wie man aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten das Beste machen kann und das Zusammenspiel aller beteiligten Akteure zu stärken.

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums von Aral erörterte Achim Bothe, Vorstandsvorsitzender der Aral AG, die Faktoren langfristigen wirtschaftlichen Erfolgs. Als führende Marke mit etwa 2.400 Stationen im bedeutendsten europäischen Tankstellenmarkt, Deutschland, skizzierte Bothe die Zukunftsvision des Unternehmens für die nächsten zwei Jahrzehnte. Dabei hob er hervor, dass Anpassungsfähigkeit, Innovationskraft und der Mut zur Realisierung als zentrale Erfolgspfeiler dienten. Diese würden, so Bothe, ein attraktives Investitionsklima voraussetzen, um den langfristigen Erfolg von Aral auch weiterhin zu sichern.

Nikolaus Widmann, Executive Vice President, Commercial and Strategic Projects bei TES, beleuchtete in seinem Vortrag das Potenzial von Wasserstoff als zukunftsträchtiger Energiequelle und stellte verschiedene weltweite Projekte vor. In diesem Kontext verwies er darauf, dass Projekte außerhalb Deutschlands allerdings für sein Haus derzeit erfolgversprechender seien, insbesondere auch mit Blick auf die hohen Kosten in Deutschland für den Hochlauf der Wasserstoffproduktion.

Dr. Dr. Alexander Weiss, Senior Partner bei McKinsey, präsentierte Studienergebnisse, die aufzeigen, dass durch eine optimierte Gestaltung der Energiewende deren Kosten um bis zu 150 Milliarden Euro reduziert werden könnten. Die Identifikation preiswerterer Optionen könnte zudem die Akzeptanz der Transformation der Energiewende innerhalb der Gesellschaft stärken.

Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE), hob in seinem Vortrag die Bedeutung einer sorgfältigen wirtschaftspolitischen Strategie hervor. Angesichts zahlreicher Herausforderungen und der ernsten Lage betonte er, dass eine bloße Lockerung der Schuldenbremse unzureichend wäre und die Politik sich nicht länger darauf verlassen könne, gesellschaftliche als auch wirtschaftliche Probleme mit finanziellen Mitteln zu überdecken. Stattdessen plädierte er für eine echte Wiederbelebung der Angebotspolitik, die eine umfassende Stärkung des Arbeitsangebotes, eine Steigerung des Energieangebotes, eine international abgestimmte Klimapolitik, eine Verbesserung der steuerlichen und regulatorischen Bedingungen, eine ambitioniertere Digitalisierungspolitik, eine Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur und den Abschluss weiterer Handelsabkommen umfasst, um Klimaschutz und Wohlstand zu vereinen sowie überflüssige Bürokratie und Regulierung systematisch abzubauen.

In den Themensessions des Vor- und Nachmittages wurden schwerpunktmäßig der Immobiliensektor und seine Wärmeversorgung sowie die Transformation der Infrastrukturen adressiert. Prominente Sprecher waren u.a. Dr. Joachim Lohse (ZIA), Christian Heine (Hamburger Energiewerke GmbH), Barbie Haller (Bundesnetzagentur), Tim Meyerjürgens (TenneT) sowie Susanne Fabry (RheinEnergie AG), Prof. Dr. Gerald Linke (DVGW) und Dr. Thomas Gößmann (Thyssengas GmbH).

Weitere Sessions widmeten sich den Themen „Datenräume für die Energiewirtschaft“ und „Klimaneutralität 2045 – Die Notwendigkeit einer Molekülwende“; und zwar mit Beiträgen von Ernst Stöckl-Pukall (BMWK), Steffen Hofer (TenneT), Henner Schmidt (Amprion GmbH) und Bernd Kremer (German Edge Cloud) zu den Datenräumen. Dabei ging es um die Entwicklung und Perspektiven von Datenökosystemen in der Energiewirtschaft, darunter Projekte wie energy data-X und Catena-X. Die Teilnehmer diskutierten über politische Planungen, Nutzungsmöglichkeiten sowie die Vorteile und Risiken für Nutzer.

In der Session „Molekülwende“ wurde die dringende Notwendigkeit einer Molekülwende für die Erreichung der Klimaziele hervorgehoben. Diskutiert wurden nach Impulsen von Prof. Dr. Manuel Frondel (RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung), Enno Harks (BP) und Till Mansmann, MdB, FDP, Innovationsbeauftragter Grüner Wasserstoff des BMBF gemeinsam mit Staatssekretär Dr. Gerd Lippold (Freistaat Sachsen), Prof. Dr. Christian Küchen (en2x) und Matthias Deutsch (Agora Industry) sowie den Abgeordneten des Deutschen Bundestages Andreas Jung, MdB und Till Mansmann, MdB die erforderlichen Rahmenbedingungen wie Unterstützung von Erstinvestitionen, Entwicklung internationaler Märkte und die Bedeutung erneuerbarer Kraftstoffe. Die Diskussion verdeutlichte die vielfältigen Herausforderungen und Chancen auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045 und zeigte auf, wie sowohl digitale als auch molekulare Innovationen einen entscheidenden Beitrag leisten können.

Im Rahmen der  Plenarveranstaltungen, alle moderiert von Dr. Annette Nietfeld, Geschäftsführerin des Forum für Zukunftsenergien, wurde zunächst das Thema „Klimaschutz durch Innovationen“, aufgerufen. Dabei ging es um die Rolle von Technologie und Innovation bei der Minderung von Treibhausgasemissionen. Prof. Dr.-Ing. Jan Wörner, Präsident der acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, gab mit seinem Vortrag den Impuls für die sich anschließenden Beiträge von Dr. Harald Schwager, Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Vorstands bei Evonik Industries AG sowie Vorstandsmitglied des Forum für Zukunftsenergien, Dr. Uwe Lauber, Vorstandsvorsitzender von MAN Energy Solutions SE, und MinDirig Berthold Goeke, Abteilungsleiter für Klimaschutz im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Ein weiterer Schwerpunkt lautete: „Versorgungssicherheit durch Technologieoffenheit“, und wurde mit einem Impulsvortrag von Prof. Dr. Oliver Kraft, Präsident i.V. des Karlsruher Institut für Technologie, eröffnet und fortgeführt im Rahmen einer Diskussion mit Holger Kreetz, COO von Uniper, und Lucretia Löscher, COO von thyssenkrupp Uhde. Die Diskussion verdeutlichte, dass ein breites Technologieportfolio, von Erneuerbaren bis zu Speicherlösungen, essenziell für eine resiliente Energieversorgung ist. Die Bedeutung angemessener Rahmenbedingungen, die Innovationen begünstigen und einen vielseitigen Energiemarkt unterstützen, wurde in den Mittelpunkt gerückt.

Den Themenschwerpunkt „Netzstabilität und -ausbau in Deutschland“, widmeten sich Florian Reuter, Teamleiter Nationale Politik von TransnetBW, und Andreas Görtz, President Business Unit Mobile & Sustainable bei Rolls Royce Power Systems. In der Podiumsdiskussion mit Dr. Alexander Rentschler, Global Head of Technology & Innovation für Stromnetze bei Siemens Energy, Florian Reuter und Andreas Görtz wurde die Bedeutung eines zügigen Netzausbaus und der Einsatz innovativer Technologien für die Gewährleistung der Netzstabilität hervorgehoben. Die Diskutanten betonten, dass für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit während der Energieumstellung eine enge Zusammenarbeit aller Akteure im Energiesektor notwendig sei.

Abgerundet wurde der erste Veranstaltungstag mit einem politischen Kabarett von „Rudi und Rudi“, gefolgt von einer Networking-Session im Lichthof des dbb Forums. Diese bot Gelegenheit, die Ereignisse des Tages Revue passieren zu lassen und in lockerer Atmosphäre über die künftigen Entwicklungen in der Energiewirtschaft zu diskutieren. Die Teilnehmer nutzten die Chance zum Austausch mit Fachleuten und Kollegen aus der Branche, um wertvolle Kontakte zu knüpfen und den Abend gemeinsam ausklingen zu lassen.

Tag 2 begann mit einer Diskussion zur Europäischen Energie- und Wirtschaftspolitik, in der eingehend die Herausforderungen und Fortschritte der vergangenen Jahre beleuchtet sowie klare Erwartungshaltungen an die künftige Arbeit der EU-Kommission formuliert wurde.

Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach, Wirtschaftsminister des Landes Brandenburg appellierte, den Übergang zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen und betonte die Bedeutung von Technologieoffenheit und Innovation für die Energiewende. Dr. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer, DIHK – Deutsche Industrie- und Handelskammer unterstrich die Dringlichkeit von klaren Rahmenbedingungen und Anreizen für Unternehmen, damit diese in nachhaltige Technologien investieren und somit die Unternehmen zur aktiven Teilnahme an der Energiewende ermutigt werden. Henrike Waldburg, Mitglied der Geschäftsführung, Union Investment Real Estate, befasste sich mit der Rolle der Immobilienbranche in der Energiewende, und plädierte für umfassendere Unterstützungsmechanismen. Die Diskussion machte deutlich, dass die Erreichung der Energie- und Klimaschutzziele ein koordiniertes Vorgehen auf europäischer Ebene erfordert, das sowohl die wirtschaftliche Dynamik als auch den Umweltschutz gleichermaßen fördert und dabei die spezifischen Beiträge verschiedener Sektoren anerkennt.

Anschließend wurden in den parallelen Sessions die Themen „Private Equity für die Energiewende, welche Rahmensetzungen sind von Nöten?“ und „Umsetzung der europäischen und nationalen Energieeffizienzvorgaben – erste Erfahrungen“ aufgegriffen und diskutiert. Session 5 zur Finanzierung der Energiewende, startete mit Beiträgen von Dr. Klaus U. Hachmeier (Copenhagen Infrastructure Partners) und Tim Danis (Allianz Capital Partners / NeuConnect) zu ausgewählten kapitalintensiven Projektbeispielen, die aufzeigten, welchen Herausforderungen Kapitalgeber zurzeit am Standort Deutschland gegenübersähen und sich bei Investitionen in die Energiewende ergeben. Im Anschluss diskutierten Jan Kastenschmidt (Landesbank Hessen-Thüringen), Christopher Neiter (Allianz Capital Partners) und Dr. Maik Piehler (Stadtwerke Leipzig) unter der Moderation von Steffen Apfel (PwC Deutschland) insbesondere die Frage, unter welchen Bedingungen das Kapital für notwendige Investitionen aufgebracht werden könne. Session 6 zu den europäischen Energieeffizienzvorgaben behandelte die Frage, wie die Umsetzung bisher läuft und an welchen Stellen noch regulatorischer Handlungsbedarf besteht. Hierzu hörten die Gäste Einordnungen und Beispiele aus der Praxis von Dr. Eberhard von Rottenburg (BDI), Philipp Riemen (DC-Data Center Group) und Matthias Hartmann (Techem), die zum Anschluss gemeinsam mit Paul Papenbrock (BMWK) unter der Moderation von Ulrike Drachsel diskutiert wurden.

Im Rahmen des englischsprachigen Panels „Infrastructures for the gas and hydrogen economy in Europe“ unter der Moderation von Dr. Wolfram Vogel, Geschäftsführer der Wolfram Vogel Advisors, stand die Zukunft der Gas- und Wasserstoffwirtschaft in Europa im Mittelpunkt der Diskussion. Gemeinsam diskutierten Gilles Le Van, Vice President Large Industries and Energy Transition Central Europe bei Air Liquide, Dr. Niko Bosnjak, Leiter der Abteilung Kommunikation & Energiepolitik bei Open Grid Europe, und Giacomo Matarazzo, Director of Strategy and Development bei Teréga, über die Herausforderungen und Chancen für den Aufbau und die Entwicklung notwendiger Infrastrukturen für eine nachhaltige Gas- und Wasserstoffwirtschaft. Dabei wurde deutlich, dass die Umsetzung einer solchen Infrastruktur nicht nur technische Innovationen erfordert, sondern auch eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, um die Weichen für eine erfolgreiche Energiezukunft in Europa zu stellen.

Im Fokus der Abschlussdiskussion „Umsetzung der Energiewende: zwischen Wunsch und Wirklichkeit – Erwartungen an die Politik der zweiten Halbzeit“ standen die Herausforderungen und Perspektiven der Energiewende.

Ralf Fücks, geschäftsführender Gesellschafter des Zentrum Liberale Moderne, eröffnete das Gespräch mit einem Impulsvortrag, in dem er die Herausforderungen und Realität der Energiewende beleuchtete. Fücks zeichnete ein kritisches Bild der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation, unterstrich aber auch die Notwendigkeit, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Er wies auf die zunehmende Bedeutung einer ehrlichen und offenen Debatte hin, um die Energiewende als ökonomisches Erfolgsmodell zu etablieren und sozial verträglich zu gestalten. Fücks betonte die Wichtigkeit breiter Allianzen zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um der Energiewende neuen Schwung zu verleihen, und forderte eine Neuausrichtung der Strategien und Instrumente zur Bewältigung der ökologischen Transformation.

In der abschließenden Podiumsdiskussion stand die Umsetzung der Energiewende und die damit verbundenen Erwartungen an die Politik im Mittelpunkt. Die Diskussion, an der Branchenvertreter wie Dr. Hans Wolf von Koeller (STEAG GmbH & Iqony), Dr. Timm Kehler (Zukunft Gas), Zoltan Elek (Fachverband Biogas), gemeinsam mit Markus Hümpfer (MdB, SPD), Konrad Stockmeier (MdB, FDP, online) und Dr. Heiko Knopf (stellv. Bundesvorsitzender, Bündnis 90/Die Grünen) teilnahmen, beleuchtete verschiedene Perspektiven und Herausforderungen. Es wurden Lösungsansätze für die Beschleunigung der Energiewende diskutiert, wobei die Bedeutung von technologieoffenen Ansätzen, der effizienten Integration von erneuerbaren Energien und Biogas sowie die Notwendigkeit, bestehende Infrastrukturen zu nutzen und auszubauen, hervorgehoben wurden. Besondere Aufmerksamkeit galt der Sicherstellung von Investitionen und der Schaffung von Planungssicherheit für die Energiebranche.

„Wir wollen es europäisch, wir wollen es technologieoffen und wir wollen es auch unbürokratisch“ war das Motto der Stunde. Dabei gelte es die Maßstäbe neu zu justieren, verkrustete Strukturen zu entrosten sowie die passenden Instrumente auszuwählen und aufeinander abzustimmen. Die Diskussion zeigte deutlich, dass für eine erfolgreiche Energiewende nicht nur technologische, sondern auch politische, ökonomische und gesellschaftliche Anstrengungen nötig sind. Die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren wurde betont, um die komplexen Ziele der Klimaneutralität zu erreichen und Deutschland auf einen nachhaltigen Energiepfad zu führen. Die Konferenz Energie.Cross.Medial schloss mit einem Appell zur intensiveren Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Konsens war die Dringlichkeit der Aufgabe und der Anerkennung, dass die Energiewende eine gemeinschaftliche Anstrengung darstellt, die konkrete Schritte und umsetzbare Lösungen erfordert.

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