Vier Fragen an ….

… Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin, GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.

 

Dr. Annette Nietfeld: Der Gebäudebestand ist für ein Drittel des CO₂-Ausstoßes in Deutschland verantwortlich, entsprechend groß ist das Einsparpotenzial. Rund drei Viertel der 22 Millionen Gebäude in Deutschland müssen bis 2045 energetisch saniert werden. Welchen Teil kann das serielle Sanieren zur Wärmewende und der Erreichung der Klimaziele beitragen? Was ist unter dem seriellen Sanieren überhaupt zu verstehen?

Ingeborg Esser: Zunächst möchte ich auf zwei Aspekte hinweisen. Die GdW Unternehmen bewirtschaften rund ein Drittel der Mietwohnungen in Deutschland. Über die Hälfte der Wohnungen in Deutschland werden aber nicht vermietet, sondern von den Eigentümern selbst genutzt. Darüber hinaus betrifft der Gebäudebestand nur zu einem Teil Wohngebäude. Da gerade die GdW Wohnungsunternehmen eine im Vergleich gute CO2-Bilanz aufweisen, darf der Einfluss auf die Gesamtbilanz nicht überschätzt werden. Auch wenn es niemand gerne hört: Die Ein- und Zweifamilienhäuser sowie die Wirtschafts- und Funktionalbauten sind häufig in Bezug auf den CO2-Verbrauch viel schlechter aufgestellt. Nichtsdestotrotz müssen wir den Gebäudebestand bis 2045 klimaneutral bekommen und das, ohne die Mieterinnen und Mieter zu überfordern.

Die massiv gestiegenen Kosten, fehlende Fachkräfte und die gestiegenen Finanzierungskosten bremsen die dringend notwendige energetische Modernisierung aus und führen zu einer viel zu niedrigen Sanierungsquote. Hier setzt die Idee der seriellen Sanierung an. Da, wo es technisch geht, sollen bestehende Gebäude im industriellen Maßstab mit vorgefertigten Elementen für Fassade, Dach und Anlagentechnik energetisch saniert werden. Neue technische Möglichkeiten zur industriellen Vorfertigung nicht nur einzelner Produkte, sondern aufeinander abgestimmter Systeme unter Nutzung der Möglichkeiten der Digitalisierung werden dabei in die Sanierungsprozesse integriert.

Ziel ist es etwa, ein industriell vorfertigbares Dämmungsprodukt mit Fenstern herzustellen, das vor Ort schnell und ohne große personelle Ressourcen verbaut werden kann und vielseitig, das heißt sowohl in Mehrfamilienhäusern als auch Nichtwohngebäuden, verwendbar ist. Es ist vorstellbar, dass notwendige Infrastrukturen für Heizung, Lüftung und Elektrik sowie Datenaustausch in diese Produkte integriert, mindestens jedoch darauf abgestimmt werden. Und schlussendlich soll Zeit gespart werden. Ziel ist es, durch die Vorfertigung bei Skalierung auch Preiseffekte zu erzielen.

Dr. Annette Nietfeld: Sie sprechen von Zielen und „zukünftig“. Heißt das, die serielle Sanierung gibt es noch gar nicht als eigenständiges Marktangebot?

Ingeborg Esser: Verschiedene Pilotprojekte sind abgeschlossen oder befinden sich auf der Zielgeraden. Es gibt also bereits ein Marktangebot. Aber man befindet sich noch im steilen Bereich der Lernkurve. Es wird daran gearbeitet, die Systeme, Produkte und Prozesse in die übliche Praxis der Gebäudesanierung zu überführen. Drei Protagonisten des seriellen Sanierens werden im Rahmen von ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2023 ihren Ansatz vorstellen – nämlich Renowate, Ecoworks und B&O – und wir werden nicht nur von den Erfahrungen und „Lessons Learned“ berichten, sondern auch davon, worauf es z.B. im Hinblick auf den Förderrahmen ankommt, um in den nächsten Jahren die notwendigen Modernisierungen so durchzuführen, dass das Wohnen bezahlbar bleibt.

Dr. Annette Nietfeld: Sie haben die Förderung angesprochen. Wie bewerten Sie den aktuellen Förderrahmen? Und halten Sie die wichtigsten Aspekte der seriellen Sanierung im Bau- und Wirtschaftsministerium für ausreichend adressiert?

Ingeborg Esser: Im Rahmen der Energieeffizienzförderung werden grundsätzlich nur höchste KfW Standards, die besser als der gesetzliche Standard sind, gefördert. Mit dieser Art der Förderung wurde insbesondere in den Anfangsjahren viel bewegt. Eine richtige Breitenwirkung hat es aber nie gegeben. Sobald sich hierfür Ansätze zeigten, wurden die Förderbedingungen verschlechtert. Wir freuen uns, dass in der aktuellen Förderung auch ein ordentlicher Bonus für das serielle Sanieren gewährt wird. Wir hoffen, dass das auch die Produkt- und Systementwicklung weiter fördert.

Eigentlich würden wir uns jedoch für die serielle Sanierung einen komplett anderen Förderansatz wünschen, einen der dem Aspekt der Serie, der industriellen Produktion, Rechnung trägt. Für die aktuelle Förderung muss weiterhin jedes einzelne Gebäude auf den jeweiligen Förderanspruch berechnet werden. Das ist keine Serie. Es wäre viel einfacher ein standardisiertes Produkt zu fördern, bspw. ein Systemdämmelement mit Mineralwollausfachung und einem definierten Fenster. Dann könnte die Industrie hier ihr volles Potenzial vom Anschlusswinkel bis zum Zirkulationsventil ausspielen. Hierfür müsste in Kauf genommen werden, dass einige Gebäude unterhalb und andere oberhalb eines Durchschnittes performen. Die Vorteile wären jedoch echte Breitenwirkung und Preiswettbewerb.

Wichtig ist aber auch, die Digitalisierung voranzutreiben, genügend Fachkräfte auszubilden und die Lieferketten zu stabilisieren.

Dr. Annette Nietfeld: Die Wohnungswirtschaft steht medial vielfach in der Kritik. Wohnraum wird knapp, die Mieten steigen. Allerdings sind die Erwartungen der Politik an Ihre Branche sehr hoch. Sie sollen bauen, an- oder rückkaufen, modernisieren – und das alles günstig.

Ingeborg Esser: Wir sehen natürlich die Herausforderungen. Es gibt nur eine Miete, die als Refinanzierungsinstrument für Investitionsaufgaben zur Verfügung steht. Die Kosten steigen in allen Bereichen, nur die Miete darf das nicht. Das verschärft sich aktuell noch mit den gestiegenen Nebenkosten.  Hier ist eine Gemengelage entstanden, die die Klimaziele in weite Ferne rücken lässt. Deshalb sind jetzt Ideen gefragt, wie mit möglichst geringem Mitteleinsatz besonders viel CO2 eingespart werden kann. Und da kommt dem seriellen Sanieren in der Zukunft eine wichtige Rolle zu.

Dr. Annette Nietfeld: Ich bin gespannt auf die Session des GdW und die innovativen Lösungen, die Sie darin vorstellen werden. Danke für Ihre Zeit!

 

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Interview mit Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des GdW
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